Tasting Notes: Italien

Erstellt von Thomas Gassner |

Toskana - Südtirol

Eine Auswahl aus über 100 Verkostungseindrücken vom letzten Merano WineFestival

Wer ist bei Rotwein die Nr.1: Toskana oder Piemont? Wieder einmal, so meine Meinung: unentschieden. In beiden Regionen geht der Trend weiter zu Weinen mit viel Frucht, gezähmten Tanninen und Terroirausdruck.

Phänomenal 2010 Ornellaia- Eleganz und Kraft vereinend, „très Lafite“. Hier sind Höchstnoten absolut gerechtfertigt.

Ein Wahnsinnspotenzial steckt im 2010 Testamatta von Bibi Graetz, da brodelt quasi noch die Aromenküche in der Flasche. 10 Jahre warten ist hier angesagt.

Eindrucksvoll wie in den Vorjahren 2010 Pergole Torte von Montevertine, gewissermaßen eine Art Krönung der vor allem früher andernorts doch zu Rustikalität neigenden Sangiovese-Traube.

Die Tenuta Monteti fiel sehr positiv mit dem Wein gleichen Namens auf, der 2007er mit mehr Struktur und Tanninen vor dem etwas weicheren 2008er. Eine interessante Cuvée: 50 % Petit Verdot und in etwa gleichen Anteilen Cabernet Franc und –Sauvignon. Klingt nach Bordeaux, schmeckt aber toskanisch-würzig.

Ein Sonderfall ist Monteverro. Hier wird sozusagen ein neuer „Super-Tuscan“ von dem Münchner Unternehmer Georg Weber geplant. Kosten werden offenbar nicht gescheut, Star-Önologe Michel Rolland wurde als Berater engagiert, den Vertrieb organisiert eine eigene Marketingabteilung. Der Topwein gleichen Namens, Jahrgang 2010 überrollt einen auch mit weichen Tanninen und imposanter Fülle. Trotzdem fasziniert er nicht. Ein Vergleich mit Ornellaia wäre daher derzeit fast unfair.

Bei den Brunellos überzeugte am meisten der 2008er Poggio di Sotto mit viel Fruchtfinesse und langem, weichem Abgang, sehr gut auch 2007 Riserva gli Angeli von La Gerla, fein ausgeprägte Aromen, tolle Struktur und Länge. An diesem Wein scheiden sich offenbar die Weinpäpste: 97 Weinspectator gegen 85 Galloni. Da hilft nur selber probieren !

Über die Brunello-Region kann man aber ganz allgemein sagen, dass sich der dort angebaute Sangiovese „Grosso“-Klon vom Kraftlackel der 80er Jahre zum ausgewogenen Spitzenwein gewandelt hat, der oft auch die Terroirs der verschiedenen Zonen im Montalcino-Gebiet widerspiegelt.

Höchst Interessantes gab es auch aus Südtirol

Zunächst der von der Kellerei Nals-Margreid vorgestellte 2012 Weißburgunder Sirmian, vom Gambero Rosso für die 2014er Ausgabe mit 3 Gläsern und als „bester Weißwein Italiens" dekoriert: Im Glas hatte ich einen sicher guten, sanft duftenden Weißwein mit gutem, am Gaumen spürbarem Potenzial. Es fallen mir aber spontan vier, fünf bessere 2012er aus Italien ein, die ich bisher, d.h. nicht nur in Meran, probiert habe. Z.B. der 2012er Gewürztraminer Nussbaumer von der Kellerei Tramin. Nicht meine Lieblings-Rebsorte, aber hier spielt sich einfach großes Weinkino ab.

Rotweine: Tannat, v.a. im Südwesten Frankreichs (Madiran) beheimatet, aus Südtirol? Ja, in einer Cuvée (mit Lagrein und Petit Verdot) beim 2007er Col de Rey von Laimburg. Spannender, guter Wein!

Klassisch gut: Castel Sallegg, Eberhard Graf Kuenburg

Weniger experimentell, aber klassisch gut und sehr stilvoll zeigten sich die Weine von Castel Sallegg aus Kaltern. In einem Weinland, das sonst vor allem durch Winzergenossenschaften (Kellerei, Cantina) mit riesigen Produktionsmengen dominiert wird, ist ein familiäres Traditionsweingut wie Sallegg, das seit 1851 besteht eher selten.

Der Parade-Merlot „Nussleiten“ (Jahrgänge 2009 und 2004) zeigt ein tolles Alterungspotenzial. Aber auch der Merlot classic von Sallegg bietet saftigen, unkomplizierten Trinkfluss mit fruchtbetonten Aromen. Rund und ausgewogen. Ein solcher Wein macht die früheren Zeiten vergessen, als Merlot aus Südtirol jung nach grünen Stielen schmeckte und durch Lagern auch oft nicht besser wurde. Aber auch die Weißweine, wie der Weißburgunder "Prey" 2012, sind in ihrer klaren Frische und Feingliedrigkeit exzellent.

von Thomas Gaßner

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